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Nichts als Gespenster?

Die Welt ist voller phantastischer Gestalten. Auch in Thailand tummeln sich die Geister, Engel und Dämonen.


Spirit House in Bangkok, auch Geisterhäuschen genannt
Spirit House in Bang Krachao, Bangkok (Foto: JK)

„Wollen wir die Gesellschaften in Südostasien besser verstehen, führt kein Weg vorbei an den Geistern“, schreibt die Zeitschrift Südostasien. In Thailand ist der Glaube an Geister allgegenwärtig. Besonders augenfällig sind die farbenfrohen Spirit Houses, die vor vielen Gebäuden stehen, vor Condos genauso wie vor Shopping Malls oder Bürotürmen. In den kleinen Schreinen leben Schutzgeister, die über die Anwesen und ihre Bewohner wachen.


“Wenn wir die Gesellschaften in Südostasien besser verstehen wollen, führt kein Weg an den Geistern vorbei.”

Der thailändische Geisterkosmos ist vielfältig. Eine Untersuchung der Chulalongkorn-Universität in Bangkok hat die Vielzahl von Geistern und ihre Bezeichnungen systematisiert. Danach existieren in Thailand unter dem Oberbegriff „Phi“ neunundvierzig Kategorien von „Spirits“ und „Ghosts“. Dazu gehören gute und böse Geister, männliche und weibliche, unsichtbare und sichtbare. Sie können sowohl in Gestalt eines Menschen als auch in jeder anderen Form erscheinen.

Engel, Thewada genannt, gehören zum thailändischen Geisterkosmos
Zum thailändischen Geisterkosmos gehören auch Engel, genannt Thewada (Foto: JK)

Der Geisterglauben in Thailand beruht auf einer Mischung aus buddistischen, hinduistischen und animistischen Traditionen. Die Grundidee: Alles in dieser Welt ist beseelt. Die überirdischen Wesen leben überall, in Wäldern, Bergen und Seen. Wenn ein Baum mit bunten Schärpen umwickelt ist, weiß jeder Thailänder: Hier wohnt ein Geist. Es gibt viele wohlwollende Spirits und Engel, die im Ruf stehen, vor Unglück zu bewahren. Manche haben die Aufgabe, ganze Städte zu beschützen, andere sollen für eine reiche Reis-Ernte sorgen oder Autos und Boote sicher ans Ziel bringen. Wer um den Schutz der Geister bittet, spendet Opfergaben, beispielweise farbenprächtige Blumengirlanden.


Baum mit Schärpen und Blumengirlanden in Bangkok
Baum mit Schärpen und Blumengirlanden in Bangkok (Foto: JK)

Darüber hinaus mangelt es nicht an Geistern, die Angst und Schrecken verbreiten. Im Internet wimmelt es von regelrechten Hitparaden der Gruselgestalten. Dazu gehören üble Gesellen wie Phi Pret, der Blut und Eiter saugt, weil sein Mund zu winzig ist, um seinen Hunger zu stillen. Oder Phi Krasue, eine hexenartige Erscheinung, die sich mit Vorliebe von verfaulten Speisen und Leichenteilen ernähren soll. Krasue wird als schwebender Kopf beschrieben, aus denen die Eingeweide heraushängen.


An vielen Orten in Thailand kann man dem Geisterglauben auf die Spur gehen, beispielsweise in der Provinz Loei im Isaan. Dort findet jedes Jahr das Geisterfestival Phi Ta Khon statt. Das dreitägige Spektakel wartet mit Musik, Tänzen und Umzügen auf, bei denen die Einheimischen mit farbenprächtigen Masken durch die Straßen ziehen. Über die Ursprünge des Festivals existieren verschiedene Annahmen. Wahrscheinlich geht Phi Ta Khon auf eine buddhistische Legende zurück, aber es kursieren auch andere Theorien, so wird etwa vermutet, dass Schutzengel eine zentrale Rolle spielen. Nur eines ist sicher: Die Welt ist voller phantastischer Gestalten.

Maske, Geister, Geisterfestival, Phi Ta Khon, Thailand
Maskenträger beim Geisterfestival Phi Ta Khon (Foto: tonjung/stock.adobe.com)

 

Link-Tipps


Über die faszinierende Mythologie der thailändischen Geister unterhalten sich Greg Jorgensen und Ed Knuth, zwei Expats, die in Bangkok leben.


Haben Tiere, Bäume und Berge ein Bewusstsein? Führt die rationale Weltsicht des Westens zur Umwelt- und Naturzerstörung? Brauchen wir eine neue Form von Animismus, um im Einklang mit der Natur zu leben?



 

Text: Jens Karbe, Autor des Romans GEISTERCONDO

(Stand: Mai 2023)


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